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AUSGESPUCKT.


Wenn ich lese, wie ältere Männer von ihrer Terasse am Genfer See oder am Hacklwurfer Weiher darüber räsonieren, dass sie im Ruhestand ja noch so viel zu geben hätten, dann macht mich das traurig. Nicht weil ich neidisch auf sie bin, weil sie ohne auf den Geldbeutel achten zu müssen, alles tun zu können, womit man sich den „Lebensabend“ versüßen könnte, sondern, darüber, dass die Vorstellung, ein „aufgespartes“ Leben nachholen zu können eine dreiste Lüge ist. Wer ein Leben lang darauf wartet, dass irgendwann die Belohnung dafür käme, ein „arbeitsreiches“ Leben gelebt zu haben, der hat die perverse Taktung unserer gewinnorientierten Arbeitswelt komplett verinnerlicht und steht nun als ausgespuckte Marionette in seinem Eigenen allein da. Er bemerkt, wie niemand Zeit hat, mit ihm das „neue“ „Freie“ Leben zu geniessen. Weder seine Kinder, noch irgendjemand, für den das Er-leben einer freien Zeit auch nur denkbar wäre. Er bemerkt wie Kinder morgens verbusst, Alte in Heimen und Gesunde in Arbeit verbracht werden, wie er früher auch. Die Illusion, jetzt ein sinnvolles Leben (ausser Blumengiessen, gute Bücher lesen und den Rasen mähen) führen zu können zerplatzt nach Jahrzehnten wie eine Seifenblase. Er ist allein. Mag ja sein, dass mein Lebensentwurf gerade in unserer Zeit absurd anmutet, aber mich rüttelt jeden Tag wieder, das Bewusstsein wach, dass der heutige Tag, wie alle davor und danach, mein Letzter sein könnte und ich mich auf die Füsse stellen muss, um noch etwas zu jagen, zu finden, zu erleben. Wer das nie trainiert hat, geht einem schrecklich faden Vortod entgegen, aber ehrlich gesagt: Er kannte es ja nie anders!

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